Die Gipfelnamen der Seven Summits Tour Schröcken
Guntram Plangg
In
der Gemeinde Schoppernau im inneren Bregenzerwald gibt es bei Hopfreben den
Gebietsnamen Künzel und im Verbund
damit die Niedere Künzel (2156 m),
sodann zwischen Glattjöchle und Wasserkluppe die Hohe Künzel (2398 m) und davor einen Künzelturm (2180 m) im weiteren anschließenden Alpgebiet, das man
mda. Zwüscha da Küanzla nennt (W.
Vogt I/8, Kartensignatur C8/9; Nr. 299, 300, 301 und 569). Die spärlichen älteren
Belege dafür sind bisher:
1597 Hoh Küenzel (AJW nach Vogt)
1606 in die Hohe Künzel (nach M. Jochum
bei Finsterwalder 3, 1215)
1783 Künzle Sp. (BlHueber Karte nach
Vogt)
Der
Gebietsname geht auf einen Personennamen Kunz,
verkleinernd Künzle zurück, die beide
zur Vollform Konrad gehören (RN 3,
206). Ursprünglich war damit wohl das Eigentum eines Kunz, also hier seine Alpe gemeint. Die an sich jüngeren Bergnamen
werden gern verdeutlicht durch das voranstehende Hoch, ein klarer Hinweis auf den hinaufgewanderten Namen. In
Bürserberg gibt es ebenso eine Weide Kuonza
und schon 1674 wird das Kuonzentobel
genannt, das gleichfalls auf einen Kuonz
zurückgeht, offenbar keine besonders seltene Benennung im Walsergebiet.
Das
Rothorn (2239 m) kann Vogt schon
seit 1596 belegen, immer als Róthorn,
in Schröcken (Bd. I/9; A4) und in Schoppernau (Bd. I/8; D11):
1596 Rothorn (AR; dgl. 1597 AJW etc.)
1606 Rothhoren (GALe)
1606 ins Rothorn (nach M. Jochum bei
Finsterwalder 3, 1215)
1783
Rothhorn Sp. (BlHueberK)
1811
Rothorn (BLK)
Der
Name kommt über die Farbe der Felsen (Rote Liaskalke) zustande wie auch eine
ganze Reihe weiterer, analoger Benennungen: Rot(e)
Wand, Rotesteiner, Rotkehner, Rotplatz u.a.
Auffällig
ist die Variante Horen gespr. [hó:ra]
in Walser Quellen gegenüber dem
mda.
Hårn, Plur. Hårna (Allgäuer 1, 858). Das Horn
als Bergbezeichnung scheint mir im
Ländle fast nur in Walsersiedlungen vorzukommen.
Der
Hochberg (2324 m) in Schröcken bei
der Rotwand (B/C4), eine anscheinend auf Anhieb durchsichtige Benennung, wäre
mda. [hoχbä:rg]; Vogt notiert aber [hóχbärg] mit betonter erster Silbe. Nach
der Österreich-Karte ÖK25V des BEV wurde das Fürggele daneben früher Hochbergsattel
genannt. Die Belege dazu sind leider dürftig:
1783 Hohen B. (BlHueberK nach Vogt I/9,
59)
Dieser
bisher früheste Beleg stammt aus der Karte des Blasius Hueber. Der scheinbar recht
allgemein benannte Gipfel steht in der Wasserscheide Rhein – Donau. Die Seehöhe
kann kaum der Grund für das Adjektiv hoch
sein, eher wird Berg als ‚Bergweide‘
zu verstehen sein, die als Alpweide relativ hoch liegt. Der attributive
Gebrauch von hoch scheint auch bei
der nahen Hochgletscher-Alpe und bei
17 ähnlich gebildeten Namen durch, die Th. Steiner in der Allgäuer Umgebung
nennt und erklärt. An dieser Namengebung müssen die Walser Kolonisten
wesentlich beteiligt sein (Hochalp, Hochblies, Hochgehr …).
Die
Braunarlspitze (2649 m) begrenzt ein
größeres Gebiet mit mehreren Bútza-Namen
(zu PUTEUS ‚Brunnen, Teich‘, vom Butzasee
ausgehend) gegen die Mohnenfluh hin, ein verhochsprachlichtes Braunorglental mit dem Markbach bildete
einst eine wichtige Herrschaftsgrenze:
1608 Braun Orglen Spiz (BluU nach Vogt
I/9, 56)
1610 Braunorglenkopf (Finsterwalder 3,
1216)
1612 Dem Lech und Tahl nach geet die
Marckh aufwerts … in ainen
Bach, genant der Marckhbach,
in Praun Orglen Tahl, so von Braun
Orglen auf der
andern oder gerechten Seiten des Lechß herabfleüst;
dem höchsten Gradt
nach in Braun Orglen Kopff;
an disem Braun
Orglen Kopf [schaiden sich von ainander]
die
Herrschafft
Bregenz, Bluemenegg und Sonnenberg
(Rigort /
Tschaikner 2011, 105 f.; vgl. 129)
1783 Brunarglenspitz (BlHueberK nach Finsterwalder)
1783 Braunorglenspitz ( -„- nach Zösmair 1923, 13)
Der
Kontext im zitierten Urbar von Bludenz mit dem Hohen Liecht Spitz, dem Schwab
Brunnen im Zürßtahl und dem verlesenen Montapaner
Kopf (recte: Moncapån, heute Munzabún) macht den Walser Einschlag
deutlich, der trotz Pappus‘ Redaktion noch erkennbar bleibt. Der Orgelkopf (Zösmair), in der neuen ÖK25V Orgelspitze (2592 m) gehört sicher zum
gleichen Wortstamm, der aber weder Orgel
noch Adler entspricht, sondern der Arle.
Unter
Arlen sind hier Zirben zu verstehen; in Gressoney (ennetbirgisch, im Aosta) sagt
man [óarbo] für die Arve (pino
cembro; Greschoneytitsch 1988, 177). Das könnte die Basis zum diminutiven
walserdt. órla, ódla ‚Zirbe‘ sein (vgl. Vogt in Montfort 1976, 17). Dazu gehört vorröm.
*árula, wie schon im Schweizerischen
Idiotikon vermerkt wird (1, 450). In Walserorten kollidieren mitunter Arve und Arle (vgl. RN 2, 379). Es geht bei Bru(n)árla ziemlich sicher um alte Zirbenbestände und nicht um
Legföhren. Diese nennt man im Süden des Landes mda. Zundr(in)a; die Zirbe hieß hier früher (t)schémber (vom vorröm. *GIMBERU), das in Tschemparis oder -tobel
(Bludenz) und Tschambréu ‚Zirbenwald‘
erhalten ist.
Der
unsichere Lautstand entstand durch rom. -RL- und die zumeist velare Aussprache
des R der Walser (sie scharren). Das
hat auch im Namen Spúllers deutliche
Spuren hinterlassen, der im Montafon etwa als Sporla vertreten ist und zurückgeht auf SPATULA, rtr. spádla ‚Schulter‘. Unklar ist noch immer
die genaue Abgrenzung von walserdt. Arve
‚Zirbe‘ gegen Arle ‚Legföhre‘.
Die
Mohnenfluh (2542 m) gespr.
[mónaflua] nach Vogt (Tannberg; I/9, 60) mit dem Mohnensattel und den darunter liegenden Mähdern Obere und Untere Mohnen (Zösmair
1923, 28):
1600 Monnenflur (PfALe nach Vogt I/9,
60)
1809 Mannenflur (Bayr. Kat. nach
Zösmair 1923, 28)
1811 Monenfluhe, Monnenflur (BLK nach Vogt)
1823 Mahnenfluhe (Zösmair 28)
Der Berg trägt offensichtlich einen
aufgewanderten Namen nach den gleichnamigen Mähdern am Fuße. K. Finsterwalder
sieht keinen Grund, den Ansatz dt. Mond
< ahd. mâno von Zösmair
abzulehnen. Er denkt an eine sichelförmige Form beim geländebedingten Ausmähen,
an mda. Mönig f. für eine Krümmung
und mda. mönig ‚mondähnlich‘.
Das
Grundwort ist walserdt. Flue, ahd. fluoh ‚Fels(wand)‘, das die ältere
niederalemannische Mundart nicht kennt. Daher wird es öfters umgedeutet
zum hier unsinnigen Flur wie auch in Brand (Flurschrofa).
Die Spitzige Lun (Mals) im
Obervinschgau scheint von einem ähnlichen Bild auszugehen.
Die
Juppenspitze (2412 m) wird bei Vogt
(Schröcken; E5) mundartnäher Juppaspitz
neben gleichnamigen Mähdern, Sattel und Wanna genannt (E5/6):
1600 Juppenspiz (PfALe nach Vogt I/9,
59)
1645 (drei Mitmel Acker) zum Iuppen
(Zösmair 1923, 26)
1783 Iuppen Sp. (BlHueberK nach Vogt)
1811 Jupenspitz (BLK nach Vogt)
1830 Wildheuet in der oberen Juppe
(VbTbg nach Vogt)
Finsterwalder
(3, 1221) geht von der tiefer gelegenen Flur Auf den Juppen aus, nicht von der Bergform oder gar vom Dulder Job (Zösmair). Ein gall. JUPPOS
‚Wacholder‘ ist in Mittelbünden vertreten als Giop (Tinizong) und kollektiv als Juppa, 1515 in der Juppen,
heute Jupperalpelti und Jupperhorn im walserischen Avers (RN 2,
180). Der Berg ist daher benannt nach niederem Nadelgehölz wie Wacholder u.ä.
am Bergfuß (was Finsterwalder bestätigt).
Schwieriger
ist der Hintergrund dieser Benennung zu beurteilen, weil die Walser anscheinend
heute Wacholder sagen, das aber wohl ein
älteres Wort überdeckt: Vgl. mda. Reckholder, aber Wäckholder (Kleinwalsertal), wals. Räcketro (Gressoney) und Reckelti
(Issime), beide Formen ennetbirgisch. Im Romanischen gilt genéiver (bei uns nur für den Gin, Schnaps) vom lat. JUNIPERUS. Der alpine Zwergwacholder, in Tirol
Kránewit, Kremmat, Kranzen u.ä.
genannt, wird seit Jahrhunderten vielfach gebraucht zum Selchen, Würzen, in der
Volksmedizin etc.; es überrascht daher kaum, dass ein gallisches, also
vorrömisches Reliktwort in romanischen Ortsnamen überlebt.
Der
Name Salóber ist bekannt geworden
über die große Alpe, damit auch der Saloberkopf (1293 m), -ried (Unteres, Oberes) und -treia (Vogt I/9, 62):
1450 uff dem Salober (TLA nach Steiner
2007, 175)
1493 an salober (LeJzb nach Vogt)
1538 am Salober (Kl. St. Mang nach
Steiner)
1559 Salober (GASch nach Vogt)
1600 Sallober -„-
1701 im Salober (Kl St. Mang nach
Steiner)
1774 Salober (AnichK nach Steiner)
1783 Sallober A. (BlHueberK nach Vogt)
1844 des Saloberkopfes (Grenzb. nach Steiner)
Der
Name kommt öfters vor für Alpen und wurde zuerst von den beiden Pallioppi
(1895, 632) durchschaut als SALUBRIS ‚heilsam, gesund‘, eine Deutung, die sich
durchgesetzt hat und überzeugt (Finsterwalder 1955, jetzt 2, 908). Auch die Silvretta im innersten Montafon ist eine
*SALUBRETTA; ein Ortsteil von Chur wurde schon im 14. Jht. in Salubrio genannt, andere Belege bezeugen den Namen Salúver für Laterns, Tannberg, Vils und
Schlarigna. Die ‚gesunde Alpe‘ überrascht, wenn man die zugehörigen Rieder und
den nahen Körber See im Auge hat, der
nach dem Gehörbe ‚Sumpf‘ benannt
ist.
Die
Höferspitze (auch: Höferberg; 2131
m) ist bei Vogt mundartnäher ver-zeichnet als Höferspitz (Schröcken E1/2) neben dem Höferberg und -grat:
1783 Höfer Sp. (BlHueberK nach Vogt
I/9, 59)
1811 Hoferspitz (BLK nach Vogt)
Der
Höfer Berg darunter dürfte als
Weidename zu verstehen sein, die Gebiets-bezeichnung wird ebenso bestätigt
durch die Untere und Obere Höferberg-Alpe, wie auch Th.
Steiner annimmt (2007, 96). Die umgelautete Form Höfen muss jünger sein als Hofen (Finsterwalder 3, 1202) und
bedeutet hier ‚Rastplatz des Viehs‘ oder auch ‚Stafel(platz)‘, vielleicht unter
dem Einfluss von rom. cuort.
Guntram
Plangg
Literaturverweise
Allgäuer,
Hubert: Vorarlberger Mundartwörterbuch, Feldkirch 2008, 2 Bde.
Finsterwalder,
Karl: Tiroler Ortsnamenkunde, Innsbruck 1995, 3 Bde.
Greschoneytitsch, hg. vom Centro Studi e Cultura Walser,
Gressoney St. Jean 1988
Kübler,
August: Die romanischen und deutschen Örtlichkeitsnamen des Kantons Graubünden,
Heidelberg 1926
Pallioppi, Zaccaria und Emil: Dizionari dels Idioms
Romauntschs (Engadin, Albula), Samedan 1895
Rätisches
Namenbuch, begr. von Robert von Planta, Bern 1939 ff., 3 Bde. RN
Schweizerisches
Idiotikon, Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, Frauenfeld 1881 ff.
Steiner,
Thaddäus: Allgäuer Bergnamen, Lindenberg 2007
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